Livin' With Jesus

Ausstellung: 07.12.2013 – 12.01.2014

JESUS #22 – JESUS AUX NOCES DE CANA

2014/01/06 by tb

Rubbelbild Jesus, Hochzeit von Cana

Gekauft in Größe Distanz Kaufpreis Mindestgebot Gebote
Haan (D) 0,410 m² 493 km 2,69 € (+2,20) 36,68 € 0

19. Mai 2008 – Einer meiner Gäste wirft die Frage auf, wie so etwas wie das Christentum überhaupt entstehen konnte. Falls Jesus tatsächlich gelebt hat, so muss er ein unheimlich charismatischer Mensch gewesen sein, um derart viele Menschen dazu zu bewegen, ihm zu folgen, und zwar Menschen auch oder gerade aus der Schicht der Gelehrten. In Anbetracht des Anzahl der Menschen die zu seiner Zeit Lesen oder Schreiben konnten, sind 80 Evangelien eine ganze Menge.

Meine Theorie ist: Im Alten Testament geht es hauptsächlich um den Alltag (mal abgesehen von den Wundern). Die Zehn Gebote sind Richtlinien, die das Zusammenleben in einer Gesellschaft vereinfachen und befrieden und man könnte sich recht gut danach richten.

Jesus hingegen ging aus meiner Sicht einen Schritt weiter und forderte Dinge, die nicht so leicht zu befolgen sind, weil der Mensch zur Einhaltung gegen Jahrtausende alte Instinkte ankämpfen muss (oder Jahrhunderte, je nach dem). Liebe deinen Nächsten wie auch dich selbst. Diese bedingungslose Akzeptanz eines Nächsten ist auch heute  gar nicht so leicht umzusetzen. Jesus verlangt ja sogar, wir sollten unsere Feinde lieben. Ich bin kein Experte, aber dies sollte gegen so ziemlich jeden Instinkt und Reflex gehen, den wir haben. Doch wir müssen nicht so weit gehen. Liebe deinen Nächsten wie auch dich selbst. Das verlangt ja nach der bedingungslosen Akzeptanz der eigenen Person, und wir alle wissen, wie problematisch das ist. Vor über 2000 Jahren muss diese Abstraktionsebene für den „Otto Normalviehierten“ ziemlich ungewöhnlich gewesen sein.

Ich kann mir vorstellen, dass es diese Abstraktionsebene ist, die die Gelehrten der damaligen Zeit angezogen hat. Aber wie gesagt, ich bin kein Experte.

Doch hätte das gereicht, um die Maschinerie in Gang zu setzen, die wir heute Christentum nennen? Ich schätze, irgendjemand hat erkannt, wie mächtig die Idee eines Jesus ist und wie hilfreich der Glaube dabei sein kann, Menschen zu manipulieren. Und Manipulation ist nicht per Definition etwas negatives. Jeder Lehrer der danach strebt, dass die Schüler selbst auf die Lösung kommen, manipuliert seine Schüler. Alle Eltern die Kinder erziehen manipulieren diesen Menschen.

Ich bin davon überzeugt: Wäre die Botschaft Jesu nicht in gewisser Weise so „fortschrittlich“ und abstrakt gewesen, und hätte man sie nicht so gut dazu benutzen können, Menschen zu manipulieren, Religion wäre heute nicht das, was sie ist.

Der Jesus des Tages ist irgendwie lustig. Die Firma „touret“ veröffentlichte offensichtlich eine ganze Reihe sogenannter „Rubbelbilder“ unter dem Namen „Grands événements de l’histoire“. Darunter auch diese Hochzeit von Canaa. Mehr als 100 verschiedene Menschen, Körperteile, Gebäude, Pflanzen und anderen Krams muss man von Hand gemäß „Lageplan“ auf das leere Diorama rubbeln. Ich habe in Photoshop den Versuch gestartet. Es ist ein enorm mühsamer und langwieriger Prozess!

Ich habe mich zu Beginn häufiger gefragt, ob mein Projekt vielleicht irgendwie verwerflich oder respektlos sein könnte. Als ich dieses Jesus-Bild gesehen habe wusste ich: Es ist OK. Wenn es da draußen derartige Artikel zu kaufen gibt, ohne dass ein Aufschrei durch das Christentum geht, dann werde ich auch mit Jesus leben können, ohne damit jemandes Gefühle zu verletzen.

Es ist eines meiner Lieblingsmotive der Sammlung. Jesus hat die Nummer 68. Warum nicht Nummer 1? Warum ist er so blond? Warum sieht er aus wie ein Wikinger? Welche anderen „großen Ereignisse der Geschichte“ gibt es als Rubbelbilddiorama?

Auf letzteres kann ich eine Antwort geben: „Mon Zoo“ von Jean Richard, „St. Louis et le crociate“, Biancaneve“ oder auch „La petit chaperon rouge“.

Ich kann online leider keine Informationen bezüglich der Herstellerfirma ausgraben. Nur Auktionsangebote für ähnliche Artikel.

Viele meiner Besucher wählen diese Darstellung zu ihrem Lieblingsmotiv, weil es sie an ihre Kindheit erinnert. Nicht wegen Jesus. Wegen der Rubbelbilder.

Die Kamera hat Aussetzer.

Heute habe ich zwei Gäste, ebenfalls Arbeitskollegen. „Ich bin aus Thüringen, da glaubt man nicht an Gott.“ sagt meine Kollegin gleich zu Beginn. „Zumindest nicht die Jüngeren“, fügt sie hinzu. Sie sagt aber auch, dass alle evangelischen Kinder nach der Schule zur Bibelstunde mussten. Ob die nun trotzdem oder gerade deswegen nicht an Gott glauben, entzieht sich meiner Kenntnis.

Mein Kollege verrät uns, dass er einige Jahre auf eine christliche Schule gegangen ist, die aber eher wie eine normale Schule geführt wurde. Seine Kenntnis religiöser Motive und von Bibelstellen ist beeindruckend.

Es ist ein sehr angenehmer Abend. Meine Gäste haben Schwierigkeiten damit, sich auf einen „Lieblings-Jesus“ festzulegen. Meine Kollegin entscheidet sich schließlich für den Jesus aus Malte und mein Kollege wählt eines der Motive von Jesus vor der Kreuzigung: „In Anbetracht dessen, was ihm bevorsteht, sieht er ziemlich entspannt aus.“

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